Ich bin dann mal digitalisiert - Dusan Prusak

and Painter only on Mondays
D   U   Š   A   N             P   R   U   S   Á   K
Bassman and Composer
   Cartoons, Artworks and Inbetween
Menu
Direkt zum Seiteninhalt

Ich bin dann mal digitalisiert

literatur
20 Jahre lang habe ich keinen Pinsel angerührt. Ich habe weder gezeichnet noch gemalt, oder mich in irgendeiner Weise mit bildender Kunst beschäftigt. Ich habe mich damals voll und ganz der Musik verschrieben.

Ich spiele Kontrabass.
 
Ich spielte in vielen Bands, hatte eigene Bands, schrieb viele Kompositionen, veröffentlichte CDs (früher sogar LPs), spielte in kleinen Clubs, manchmal vor 3 Leuten, manchmal vor 3000 Leuten an irgendwelchen Festivals, an die ich mich nicht erinnern will, und es war affengeil!
 
Ich spielte mit jungen Musikern, die mir ihre Kraft und Energie verliehen (JALAZZ war ne geile Band! Wir fuhren bis zur Hölle, um ein Konzert zu spielen), ich spielte mit alten Musikern, die mir ihre Weisheit und Torheit vermittelten (Roger, Du bist einer der unglaublichsten Musiker, den ich kenne, aber so was von Diva).
 
Wir spielten regelmässig in unserem Umkreis, bespielten die Jazzclubs des Landes, unternahmen Tourneen durch halb Europa, und manchmal tourten wir gar auf anderen Kontinenten. (Christian, Du schreibst so schöne Lieder! Ich danke dir, dass Du sie mit mir geteilt hast).
 
Dann kam die Pandemie.
 
20 Jahre lang habe ich meine Bilder von früher nicht gesehen. Einiges davon habe ich verkauft (meine letzte Ausstellung war vor 20 Jahren), manches habe ich eingetauscht gegen Tomaten, Freundschaft, Minestrone, Lieder, Zärtlichkeit oder Liebe, vieles davon habe ich verbrannt (ganz früher malte ich grossformatig mit Öl auf Leinwand – Mann, das brennt verdammt gut!), etliches habe verschenkt oder weggeschmissen.
 
Als es nicht mehr möglich war, Musik zu spielen, bekam ich wieder Lust, Bilder zu malen.
 
Und ich erinnerte mich, dass da im Dachstock noch einige meiner früheren Bilder lagerten. Ich holte sie runter, staubte sie ab, und nach 20 Jahren schaute ich sie mir wieder an.
 
Und ich sah: Vieles war oberflächlich, einiges war effekthaschend, das meiste war statisch, unbeweglich und stumpf, einfach nur billige Dekoration, und bei einigen Bildern liess ich mich offensichtlich von anderen Künstlern inspirieren. (War es Strawinski oder Picasso, der gesagt hat: «Ein mittelmässiger Künstler lässt sich von anderen Künstlern inspirieren. Ein guter Künstler klaut die Ideen der anderen»?)
 
Doch einiges war gar nicht so übel. Eigentlich stellte manches davon genau das dar, was ich 20 Jahre lang in der Musik gesucht habe: Ganz einfach eine Geschichte erzählen, ohne dabei die Leute zu langweilen!
 
So beschloss ich, bevor ich mit dem Malen wieder anfangen würde, die alten Bilder zu sichten und sie zu katalogisieren.
 
Ich machte also diese Website - dusanprusak.ch – und stellte die Dinger da rein!
 
Dann holte ich die Malutensilien aus dem Keller, die ich 20 Jahre nicht benutzt habe, staubte sie ab und setzte mich damit an meinen Arbeitstisch.
 
Anfangs sass ich verängstigt wie ein Kaninchen vor der Schlange vor dem leeren Blatt Papier. Doch bald stellte ich fest: Malen ist wie Radfahren, man verlernt es nicht. Vielleicht auch deshalb, weil ich es nie wirklich gelernt habe. Im Gegensatz zur Musik bin ich in diesem Bereich weitgehend Autodidakt.
 
Meine Lieblingsmusiker, z.B. Ornette Coleman, Thelonius Monk, Sonny Rollins, waren weitgehend Autodidakten. Sie gingen ihre eigenen Wege, ignorieren die Regeln der Harmonielehre (manchmal schlichtweg, weil sie sie nicht kannten), und erschufen so ihre eigene musikalische Welt.
 
Heute ist Musik – wie alle anderen Lebensbereiche – überakademisiert (ohne ein Diplom darf man nicht mal als Klofrau arbeiten). Sogar der Jazz, welcher einst durch seine Improvisationslust in allen Farben schillerte, ist heute grau und fade geworden – weil akademisiert, zertifiziert, validiert und damit zu perfekt. Perfektion tötet. Frank Zappa sagte bereits vor 40 Jahren: «Jazz is not dead, it just smells funny».
 
Der Mensch der westlichen Zivilisation neigt zur Perfektion. Die Erbsünde ist weder Adams Apfel, den er vom verbotenen Baum frass, noch die Kreuzigung Christi, sondern das wohltemperierte Klavier, denn das Pythagoreische Komma ist der einzige Gottesbeweis auf Erden, den ich anerkenne. In ihm spiegelt sich Einsteins Relativitätstheorie sowie die Tatsache, dass es zwischen Himmel und Erde unendlich viele Dinge gibt, die sich wissenschaftlich nicht erklären lassen. Die Temperierung der natürlichen Stimmung war ihre Kreuzigung. Somit lautet Satans Name Johann Sebastian Bach. Seine Musik ist das Sublimat aller Perfektion.
 
Meine Website wird immer grösser und chaotischer, weil ich haufenweise neu gemalte Bilder dort reinschmeisse. Sie quillt nun über, und ich muss altes Zeug rausschmeissen, um neuem Platz zu schaffen. Wie im richtigen Leben.
 
Ich vermisse die Musik nicht mehr, weil ich alles, was ich früher mit Musik ausdrücken wollte, nun in meine Bilder reinpacken kann. Und ich komme mir auch nicht mehr wie ein Tanzbär vor, der zum tausendsten Mal für einen Appel und ein Ei dem amüsierten, jedoch leicht gelangweilten Publikum in einer Schicki-Micki-Bar seine Kunststückchen vorführt. Zum tausendsten Mal «Fly me to the Moon» zu spielen führt irgendwann zu Abnutzungserscheinungen.
 
Einem Bären bringt man das Tanzen bei, indem man unter dem eisernen Boden seines Käfigs ein Feuer entfacht. Der Bär erhebt sich dann auf seine Hinterfüsse und beginnt zu tanzen, damit nicht all seine Extremitäten verbrennen. Das ist sehr lustig anzuschauen.
 
Meine Familie stammt aus der früheren Tschechoslowakei, der heutigen Slowakei.
 
Ich erinnere mich, wie eines Morgens im August des Jahres 1968, ich war sieben Jahre alt, die Strassen voller Panzer waren und der Himmel voller Kampfflugzeuge und Helikopter.
 
Den Russen hatte das Experiment nicht gefallen, welches Alexander Dubček, Generalsekretär der Tschechoslowakischen kommunistischen Partei, gewagt hatte. So schickten sie die Armee des Warschauer Paktes zu uns, um dieses Experiment zu beenden.
 
Dubček war so dreist gewesen, die staatliche Zensur zu beenden, den Leuten die Freiheit zu geben zu sagen und zu schreiben was sie wollten, zu reisen wohin sie wollten, zu studieren was sie wollten, zu wohnen und zu arbeiten wo sie wollten, Geschäfte zu machen, mit wem sie wollten. Und all dies, ohne die marxistischen Prinzipien zu verletzen.
 
Dieses Experiment dauerte kein Jahr lang, doch ich erinnere mich, wie in dieser Zeit das Land erblühte, sich die Menschen entspannten, in den Strassen gelacht wurde, in den Zeitungen plötzlich politische Karikaturen auftauchten, die man früher nicht für möglich gehalten hätte...Leonid Breschnew als Schwein darzustellen war vielleicht keine so gute Idee.
 
Dieses Experiment, «Prager Frühling» genannt, wurde von den Russen jäh beendet, Dubček wurde seines Amtes enthoben und in die Forstverwaltung verbannt, und die Menschen verfielen in Depression.
 
Einerseits bin ich den Russen dankbar für die Okkupation der ČSSR, denn das veranlasste meine Familie, aus dem Land zu flüchten, wie viele tausende Tschechoslowaken auch. Doch andrerseits kann ich ihnen nicht verzeihen, Alexander Dubček’s Vision eines Sozialismus mit menschlichem Antlitz zerstört zu haben. Sie hatte grosses Potenzial!
 
Rund 20 Jahre danach, als der reale Sozialismus weltweit zusammenbrach, erinnerten sich die Leute immer noch an Dubček, und er hatte reelle Chancen, als Präsident des Landes gewählt zu werden. Die Kapitalisten wussten das zu verhindern, indem sie ihn beseitigten, es als Autounfall aussehen liessen, das Land spalteten in Tschechien und Slowakei und sich am Verkauf des ehemaligen Volkseigentums bereicherten.
 
Ähnliches passierte in allen anderen ehemals kommunistischen Ländern und dauert bis heute an. Leute, die davon berichten oder versuchen dagegen anzukämpfen, werden zum Schweigen gebracht.
 
Meine Eltern waren echte Europäer. Aus der ČSSR flüchteten wir zunächst nach Holland. Ein Jahr später zogen wir in die Schweiz, wo wir uns niederliessen. Damals wurden Flüchtlinge in der Schweiz noch mit Handkuss aufgenommen, besonders, wenn sie aus dem bösen kommunistischen Ostblock kamen. Das hat sich inzwischen geändert.
 
Im Gegensatz zu heutigen Flüchtlingen hatten wir in der alten Heimat immer ein Dach über dem Kopf, mussten nie um unser Leben fürchten, hatten nie gehungert.
 
An jenem Tag, als die Russen bei uns einmarschierten, waren wir gerade im Urlaub in den Bergen. Bevor wir voller Panik in den Bus stiegen, um heimzufahren, schob mir meine Mutter einen grossen Brotlaib zwischen die Achsel, da sie fürchtete, zuhause wären die Läden leergeräumt. Zuhause angekommen war das Brot trocken und die Läden nicht leergeräumt. Wir haben das trockene Brot an Eichhörnchen und Enten im Park verfüttert
 
Anfangs der Pandemie vor 2 Jahren gabs hier in den Läden kein Klopapier mehr zu kaufen, Brot und alle anderen Lebensmittel jedoch zur Genüge. Scheinbar haben hier die Leute mehr Angst vor einem dreckigen Hintern als vor Hunger.
 
Vor Kurzem habe ich gelesen, welcher Druck beim Kacken im Mastdarm herrscht: 8 Bar beim entspanntem Kacken und 80 Bar, wenn man kräftig drückt. Dem Typen, der das gemessen hat, sollte der Nobelpreis verliehen werden.
 
Als mein Vater pensioniert wurde, zogen meine Eltern weiter und liessen sich in Spanien nieder.
 
Mein Vater war ein sprachliches Genie. Neben Slowakisch, Tschechisch, Russisch, Ungarisch, Holländisch, Italienisch, Deutsch und Englisch (Französisch verachtete er) lernte er, während er in Spanien lebte, so perfekt die Landessprache, dass ein gewöhnlicher Spanier ihn kaum verstand. Sein Spanisch war inspiriert von Büchern von Cervantes und Lorca.
 
Wenn ich meine Eltern in Spanien besuchte, entsprangen unseren Unterhaltungen Sätze, die aus Wörtern verschiedenster Sprachen stammen. Wir waren Babylon im positiven Sinn, denn trotz unterschiedlichster Sprachen verstanden wir einander. Auch ich liebe Sprachen. Sie öffnen Türen zu anderen Welten. Doch meinem Vater kann ich nicht das Wasser reichen.
 
Mit 21 Jahren unterbrach ich mein Chemiestudium, um einen Job an einer Baustelle im Irak anzunehmen. Man sagte mir, es sei eine Fabrik für Pflegeprodukte, die man am Ufer des Euphrat aus dem Wüstensand stampfe. Dort angekommen sah ich braune Dämpfe aus den Schornsteinen qualmen. Von wegen Pflegeprodukte! Da wurde Sprengstoff und Munition hergestellt. Trotzdem blieb ich ein halbes Jahr und lernte Land und Leute kennen und lieben.
 
Am Bau dieser Fabrik beteiligt waren namhafte Firmen wie Siemens, AEG, Bosch usw. Sie alle machten grossartige Geschäfte mit den Irakern. Wenige Jahre später wurde die Fabrik während des ersten, spätestens zweiten Golf-Krieges dem Erdboden gleichgemacht…Business as usual.
 
Der Chef der kleinen Firma, die mich angestellt hatte, war ein ausgezeichneter Geschäftsmann. Er besorgte sich Tonnen von Phosphorsäure, kippte etwas Farbe rein, verfrachtete es nach Irak, und anstatt Einfuhrzoll zu zahlen, überreichte er dem Zollbeamten einen Koffer voller Pornofilme und verhökerte dann die Säure als Wundermittel gegen verkalkte Röhren für unglaublich viel Geld…Business as usual.
 
Meine Aufgabe bestand darin, Säure zum Entkalken oder Chlor zum Desinfizieren irgendwo reinzukippen und mit einem kleinen Trupp Einheimischer durch die Wüste zu fahren, um Ventile zu öffnen und zu schliessen und meinen Trupp von Einheimischen darin zu instruieren. Natürlich verstand niemand von ihnen Englisch, und mein Arabisch beschränkte sich auf wenige Höflichkeitsfloskeln. Eine Szene ist mir noch in bester Erinnerung: Ich klettere irgendwelche Röhren hoch, um an ein Ventil zu gelangen, und während ich versuche zu erklären, was zu tun ist, kauert mein Trupp im Kreis auf dem Wüstenboden und sieht mir lächelnd zu. Und plötzlich fangen sie an zu singen!…Babylon.
 
Babylon habe ich auch besucht und von dort dummerweise drei Tonscherben mit Hieroglyphen mitgehen lassen. Die liegen inzwischen irgendwo am Grund des Bodensees. Als sie noch bei uns im Haus waren, kriegte meine Frau jede Nacht Besuch von irgendwelchen Geistern. Seit die Scherben im See liegen, hat sie Ruhe.
 
Da gab es aber noch andere Geister.
Vor einigen Jahren, es war Nacht und ich lag schlafend im Bett, flog mir ein Insekt ins Ohr, flatterte dort rum und klopfte wie verrückt an mein Trommelfell.
 
Ich fuhr aus dem Bett hoch, haute mir ein paar Mal mit der Handfläche heftig gegen den Schädel, um das Ding rauszuschleudern, schabte mit dem Finger und mit Ohrstäbchen darin herum, um das Vieh rauszupuhlen, steckte den Kopf unter den fliessenden Wasserhahn, um es aus meinem Ohr zu spülen. Half alles nichts. Also fuhr ich zum Notarzt.
Nachdem ich dem Arzt mein Problem geschildert hatte, fragt er mich als Erstes, ob ich irgendwelche Drogen genommen habe. Dann leuchtete er mir ins Ohr und schaute mit der Lupe rein.
«Da ist nichts!», sagte er, doch das Vieh trommelte weiterhin an meinem Trommelfell. Er spritzte mir irgendwelche Flüssigkeiten ins Ohr. Das brachte gar nichts. Schliesslich steckte er eine Pinzette dort rein und zog damit einen grossen Nachtfalter heraus, der immer noch heftig flatterte.
 
Für manche indigenen Kulturen sind Nachtfalter Boten aus der Totenwelt.
 
Am Tag vor diesem Ereignis nahm sich ein Bekannter von mir das Leben. Schon zu seinen Lebzeiten hatte er einen besonders schrägen Sinn für Humor.

Mit dreissig bereiste ich fast ein ganzes Jahr lang Südamerika. Meinen ersten Satz auf Spanisch lernte ich in einem überfüllten Bus irgendwo in der kolumbianischen Pampa: «Por favor, puedes poner su culo afuera de mi cara»? Könnten Sie bitte Ihren Arsch aus meinem Gesicht entfernen?
 
Tatsächlich kippte mal so ein überfüllter Bus zur Seite, was mir ein Stück des Ohres abriss. Das Üble dran war, dass dabei meine Tasche mit Geld und Passport verloren ging. Irgendwie schaffte ich es trotzdem nach Bogota zur Schweizer Botschaft. Die schickten mich zu einem alten deutschen Arzt, der mir eine Tetanus-Spritze verpasste und das Ohr annähte. Ich fragte ihn, was ihn nach Kolumbien verschlagen habe…Schweigen…
 
Glücklicherweise kehrte ich ins selbe Hotel zurück, wo ich bereits vor dem Unfall einquartiert war, denn kurz darauf kam dort ein Anruf, man habe meine Tasche gefunden. In meiner Tasche war die Visitenkarte des Hotels, und der Finder rief an und nannte seine Adresse.
 
Ich schnappte ein Taxi und fuhr dort hin. Es war ein Elendsviertel am Rande der Stadt, wo elternlose Kinder in Kartonhütten am Strassenrand wohnten und nachts an benzingefüllten Plastiktüten schnüffelten, um einzuschlafen.
 
Der Finder meiner Tasche sagte, seine Frau, die im selben Bus sass wie ich und jetzt im Spital liege, habe meine Tasche aus Versehen mitgenommen. Ich stellte fest, dass in der Tasche nichts fehlte. Es ist bemerkenswert, dass man an Orten wie diesen solch noble Menschen antrifft.
 
Mit vierzig bereiste ich Südostasien, Kambodscha, Laos, Thailand. Im Norden Thailands machte ich einen dreiwöchigen Tai-Chi Kurs und lernte dabei meine zukünftige Frau kennen. Sie war die Assistentin des Trainers.
 
Das Datum, an dem wir uns kennenlernten, werde ich kaum vergessen: 11. September 2001, der Tag, an dem Passagierflugzeuge in die Twin-Towers und ins Pentagon rasten. Dieser Tag war der Anfang unserer persönlichen Katastrophe.
 
Manchmal, in zärtlichen Momenten, nennen wir uns gegenseitig liebevoll «My lovely 9/11.»
 
Vor 3 Jahren besuchte ich nach 50 Jahren das erste Mal meine Geburtsstadt im Osten der Slowakei.
 
Nun, das trifft nicht ganz zu, denn mit 19 Jahren, gleich nachdem ich und mein Bruder die Schweizer Staatsangehörigkeit erhalten hatten, fuhren wir schon mal dahin. Bevor wir in die Stadt einfuhren, hielten wir damals vor dem Ortschild und wollten uns davor fotografieren. Hinter dem Ortsschild waren am Horizont die Schornsteine der Chemiefabrik zu sehen, wo unser Vater früher gearbeitet hatte.
 
Plötzlich hielt ein Auto neben uns, Polizisten in Zivil stiegen aus und nahmen uns mit.
 
Wir verbrachten den ganzen Tag auf der Polizeistation unseres Geburtsortes. Man verhörte uns, man bezichtigte uns der Spionage, man stellte uns hunderte absurder Fragen.
 
Als man uns endlich gehen liess, hatte ich keine Lust mehr, die Stadt zu besichtigen, und das hielt 40 Jahre lang an.
 
Ein halbes Jahrhundert nachdem wir emigriert sind, besuchte ich endlich diese slowakische Kleinstadt nahe der Grenze zur Ukraine.
 
Vieles hat sich verändert. Wir wohnten im Zentrum an der Hauptstrasse, an der entlang früher die 1. Mai-Paraden durchmarschierten. Heute ist das Fussgänger-Zone und exakt gegenüber unserer früheren Wohnung befindet sich heute eine Bar namens Jazz-Café.
 
Oberhalb der Fussgängerzone steht ein barockes Schloss, worin sich das örtliche Museum befindet. Gleich daneben existiert immer noch dasselbe Kino, indem ich als kleiner Junge geheult habe, als sie Winnetou erschossen haben.
 
Und nun war es der 50 Jahrestag des Prager Frühlings, und dieses Kino zeigte einen Film über Alexander Dubček, den Mann, dessentwegen wir das Land verlassen haben. Während ich im Kino sass und mir diesen Film anschaute, musste ich plötzlich heulen.
 
Nach dem Kinobesuch, es war ein lauer Sommerabend, setzte ich mich auf einen Drink vors Jazz-Café. Von drinnen erklangen seichte Smooth-Jazz-Klänge, anscheinend vom Band. Ich fragte den Kellner, ob sie denn manchmal auch Life-Acts haben.
 
«Ist doch life», antwortete er, «komm doch rein und setz dich».
 
Ich ging rein, schaute mich um und bemerkte in einer dunklen Ecke kauernd ein schmächtiges Männchen, das zu einer Karaoke-Maschine seine Gitarre spielte.
 
Die Chemiefabrik, ein Riesenkomplex, steht immer noch, sieht aber seltsam verlassen aus. Früher wurde dort Nylon und andere Kunstfasern hergestellt. Man sagte mir, dass heute dort heikle Auftragssynthesen für Drittfirmen aus ganz Europa durchgeführt werden.
 
Ein kleiner Fluss fliesst an der Stadt vorbei. Als Kinder badeten wir darin, oberhalb der Chemiefabrik, denn unterhalb war das Wasser ziemlich verseucht.
 
Heute ist der Fluss voller Forellen.
 
Das Städtchen ist umgeben von ausgedehnten Wäldern, flachen Hügeln und weiten Ebenen. Auf manchen Hügeln thronen mittelalterliche Burgruinen. Als Kinder spielten wir dort.
 
In den Wäldern, die zu den letzten Urwäldern Europas gehören, leben Wölfe, Bären, Wildschweine und die letzten europäischen Bisons.
 
Einmal kam ein junger Bär in die Stadt und kletterte einen Kirschbaum hoch, um zu naschen. Als er nicht runterkommen wollte, hat man ihn erschossen.
 
Nach 50 Jahren roch ich wieder den Duft des Bodens, der mich geboren hat, hörte die Stimmen herumflanierender Leute, deren Gesichter mir so vertraut schienen und die sich in meiner vertrauten Sprache unterhielten, erblickte ich die Weite und Schönheit dieses Landes.
 
Ich habe mich noch nie so zuhause gefühlt.
 
Inzwischen ist mir die Lust am Reisen vergangen. Zwar flogen meine Frau und ich hin und wieder nach Thailand, um ihre Familie zu besuchen. Als meine Mutter noch lebte, besuchten wir sie oft in der Slowakei (Bei Regen schimmert Bratislavas Asphalt in allen Regenbogenfarben).
 
Und ich zeigte meiner Frau meinen Geburtsort. Auch sie war fasziniert, nicht zuletzt wegen den leckeren Forellen für einen Appel und ein Ei.
 
In Spanien steht immer noch das verlassene Haus unserer Eltern. Im Sommer vor 4 Jahren waren wir das letzte Mal dort. Das Arbeitszimmer meines Vaters ist unverändert, voller Bücher, zumeist Sprachlehrbücher. Eins davon habe ich damals aus purer Langeweile angefangen zu lesen: «Russisch in 20 Lektionen».
 
Auch nach der 20. Lektion habe ich nicht damit aufgehört. Russisch ist eine faszinierende Sprache mit unglaublich komplexer Ausdruckskraft und (leider auch) Grammatik.
Online habe ich dann eine Lehrerin gefunden. Ein junges Mädchen aus St. Petersburg, das in Deutschland Psychologie studierte. Wöchentlich trafen wir uns über Skype zu unseren Lektionen, haben geplaudert, Bücher gelesen und sie gab mir Hausaufgaben und wir wurden Freunde. Und natürlich habe ich mich bis über beide Ohren in sie verliebt, denn sie war das hübscheste, klügste und mutigste Mädchen, das ich nie getroffen habe. Zur Katastrophe kam es, als ich nachts im Halbschlaf meine Frau mit dem Namen der Lehrerin ansprach. Danach musste ich den Kontakt zu ihr beenden. Dies war meine Lolita-Phase und ich bin froh, dass wir nicht Nabokov gemeinsam gelesen haben. Wäre zu peinlich.
 
Eines Tages möchte ich die 5 Elefanten meines Lieblingsautors Dostojewski in der Originalausgabe lesen.
 
Doch die Welt um uns herum scheint ihre Faszination eingebüsst zu haben. Die Ökonomen haben sie in Zonen aufgeteilt: In Asien wird produziert, hier wird konsumiert, zertifiziert und validiert, in Afrika wird der Müll entsorgt, und Urlaub mach mal schön auf Ballermann.
 
Als Folge dieser Globalisierung gibt es immer mehr No-Go-Zonen, wo Krieg herrscht oder religiöser Fanatismus oder beides, denn zumeist kommen diese beiden Dinge gleichzeitig wie Pest und Cholera.
 
...und Hunger...dies ist das Schrecklichste.
 
Hier der Stand der Dinge im Mai 2024. Ich fürchte, es wird nicht besser in naher Zukunft. Der Frühling in Afganistan soll zauberhaft sein, vorausgesetzt man hat ein XY-Chromoson, öffentliche Hinrichtungen in Saudiarabien und Iran könnten massenhaft Touristenströme anlocken, vorallem während der Fussballhalbzeitpause, wenn Ronaldo spielt, und ein Abenteuerurlaub in der Ukraine oder in Gaza ist der absolute Knaller.
 
Religion ist die mächtigste Waffe der ohnmächtigen Völker dieser Welt, welche wir ausbeuten. Diese Waffe ist unanfechtbar und tödlich, seit tausenden von Jahren bis heute. Religion ist das Opium des Volkes. Es lindert den Schmerz, macht süchtig, und macht aus jungen Männer Selbstmordattentäter, auf die dann im Paradies scheinbar hunderte von Jungfrauen sehnsüchtig warten.
 
Ich habe mal ein Brettspiel entwickelt namens «Religion – Ein Spass für die ganze Familie».
Es funktioniert ähnlich wie Monopoly. Man ist unterwegs als Christ, Moslem, Jude, Hindu, Buddhist oder Atheist, bleibt auf Feldern stehen, die einem gutes oder schlechtes Karma verleihen, je nach Religionszugehörigkeit, und manchmal kommt man auf einem Feld namens «Ich konvertiere» zu stehen und muss dann eine Karte ziehen.
 
Am Schluss des Spiels, je nach Religionszugehörigkeit und der Anzahl guten und schlechten Karma, das man im Verlauf des Spiels gesammelt hat, kommt man entweder in den Himmel, ins Nirvana, ins Fegefeuer, in die Hölle, oder wie Ali, der Suizide-Bomber, ins Paradies, wo er hunderte wunderschönen Jungfrauen ficken kann. Im schlimmsten Fall muss man das Spiel nochmals von vorne beginnen. Wenn man Glück hat, ist man Atheist und das Spiel ist vorbei.
 
Dieses Brettspiel habe ich einigen Spieleverlegern angeboten. Wollte niemand…Schade!
 
Anfangs der Pandemie hatte ich die leise Hoffnung, dass sich die Menschheit besinnen würde und diesem Wahnsinn vom ewigen Wirtschaftswachstum ein Ende bereiten würde. Dieses verfluchte Virus ist eine Botschaft der Natur an die Menschheit: Macht mal Pause, Leute, entspannt euch, arbeitet nicht so viel und hört auf, wie blödsinnig zu konsumieren.
 
Tatsächlich ist mehr als die Hälfte aller Arbeit sinnlos und überflüssig, ja gar schädigend. Besonders hierzulande sind unglaublich viele Leute lediglich damit beschäftigt, den Mehrwert, den der produktive Teil der Menschheit irgendwo auf dieser globalisierten Welt erschaffen hat, herumzuschieben, zu derivatisieren, validieren und zertifizieren, und so schlussendlich in eigene Kanäle zu leiten.
 
Sklaverei wurde scheinbar vor vielen Jahren abgeschafft. Schön. Schliesslich ist die Würde und die Freiheit des Menschen unantastbar, nicht wahr? Sehr schön. Doch was unterscheidet den früheren Sklaven vom heutigen globalisierten, arbeitenden Menschen? Einiges:
 
Ein Sklavenhalter in früheren Zeiten, sei es auf Baumwollfeldern von Georgia oder Zuckerrohrplantagen in Haiti, war darum bemüht, seine Sklaven gesund und stark zu halten, damit sie täglich ihrer Arbeit nachgehen konnten, denn er hat für die Sklaven bezahlt. Würde der Sklave krank, schwach, oder tot umfallen, wäre das schlecht fürs Geschäft. Er hatte Verantwortung für seine Sklaven und sollte sie gut behandeln, falls er an der Prosperität seiner Geschäfte interessiert sein sollte.
 
Der heutige globalisierte Sklavenhalter kümmert sich einen Dreck um seinen Sklaven. Er hat ihn nie zu Gesicht bekommen, denn sie sind Tausende von Kilometern voneinander entfernt. Diese Anonymisierung erleichtert die Brutalität seines Handelns. Er gaukelt ihm vor, würdig und frei zu sein. Doch wie frei und würdig kann ein Mensch sein, der in einem toxischen Umfeld einer Arbeit nachgehen muss, die ihn und seine Familie kaum am Leben erhalten kann? Sein Arbeitgeber sagt ihm, du bist frei und würdig, mein Lieber, kannst also tun und machen, was du willst. Fällst du tot um, so gibt es zigtausend anderer, die dich ersetzen können. Also haut er ab, macht zuvor haufenweise Schulden, um die Schlepper zu bezahlen, die ihn ins gelobte Europa oder USA zu bringen versprechen, und ersäuft dann im Mittelmeer oder sonst wo. Was mit seiner Familie zuhause passiert, will ich mir gar nicht vorstellen. Komödie ist Tragödie plus Zeit. Viel Zeit.
 
Und wer hat dieses mörderische System erfunden und bis zur Perfektion vollendet? HSG St.Gallen. Perfektion tötet!
 
Ich kann es einfach nicht fassen, dass meine Steuergelder diese mörderische Institution finanzieren. Und ich kann mir nicht erklären, wie ein junger Mensch diesen Weg wählen kann, um sein Leben lang eine geldgeile Heuschrecke zu sein. Es gibt so viel Schönes auf dieser Welt, für alle, doch ihr zerstört es durch eure unfassbare Gier.
 
Ganz nach dem Lehrsatz eines Ökonomieprofessors, der an dieser Uni lehrt:
 
«Es gibt zwei Arten von Menschen auf der Welt. Die Dummen, die von der Arbeit leben, und die Schlauen, die von den Dummen leben».
 
Übrigens übersteigt die Anzahl der Korruptionsskandale dieser Uni gar diejenige der Schweizer Grossbank Credit Swiss, und das will was heissen.
 
Es tut mir unendlich leid, dies hier zu schreiben, denn ich liebe dieses Land! Es ermöglicht mir eine weitgehend sorgenfreie Existenz, wofür ich unendlich dankbar bin, und es ist wunderschön. Doch der Wohlstand dieses Landes beruht auf sehr fragwürdigen Geschäftsmethoden.
 
Nur ein Beispiel: Eine Schweizer Chemiefirma, die längst nichts mehr produziert, sondern alles in China oder Indien einkauft, wo unter menschen- und umweltunwürdigen Bedingungen produziert wird, kauft dort ein Fass Aceton. Das ist viel billiger, als es hierzulande herzustellen.
 
Aus diesem Fass füllt sie 30 verschiedene Margen ab, vom Putz-Aceton, den man als Nagellackentferner benutzen kann, für 10 sFr. den Liter, bis zur hochreinen Referenz-Substanz für analytische Messmethoden, zu 100 sFr. den Milliliter. Und jeder Marge verleihen sie unterschiedliche Zertifikate und Analyseresultate. Doch im Endeffekt kommt all dieses Aceton aus demselben Fass.
 
So funktioniert der Zauber der Zertifizierungsindustrie.
 
Übrigens sind Zertifizierungsfirmen die absoluten Gewinner an den Börsen – so als kleiner Anlegetipp.
 
Und übrigens ist Aceton auch die Ursache für das Chaos im Nahen Osten zwischen Palästinensern und Israel. Doch davon vielleicht später.
 
Manchmal wird dem Zertifizierungszauber auch etwas nachgeholfen, wie etwa bei IKEA, deren Möbel laut Zertifikat aus nachhaltigen forstwirtschaftlichen Beständen stammen, in Wahrheit aber aus illegal abgeholzten Naturreservaten in Osteuropa und Sibirien.
 
Korruption, Lüge und deren Zertifizierung sind ein unschlagbares Team. Der Kunde sieht das Umwelt-Label und kriegt im Bauch das wohlige Gefühl, mit dem Kauf des Billy-Regals etwas Gutes für die Umwelt getan zu haben. Welch Irrtum.
 
Leo Tolstoy sagte: Die Wahrheit ist immer einfach und klar. Die Lüge ist meistens verschwommen und kompliziert.
 
Heute hörte ich im TV unsere Justizministerin sprechen. Sie versuchte zu erklären, warum die Schweiz keine weiteren afghanischen Flüchtlinge aufnehmen kann. Ich habe sie nicht verstanden.
 
Banker, Broker, Juristen und Anwälte, Treuhänder, Steuerberater, Versicherungsheinis, Immobilienspekulanten, Rohstoffhändler, Buchhalter, Beamte, Zertifizierer, Ökonomen…Wer braucht denn sowas? Ihr Leute würdet besser in den Wald gehen, einen Ast suchen und daraus einen Kochlöffel schnitzen. Das würde mehr Mehrwert ergeben.
 
Leider lassen sich auch Leute, die essenziell wichtige Berufe ausüben, von diesem System korrumpieren.
 
Ein privatisiertes und auf Profitmaximierung getrimmtes Gesundheitssystem in einem kapitalistischen Umfeld ist kaum an der Gesundheit seiner Mitglieder interessiert, sondern an Geschäft und Kundenbindung.
 
Es ist genau dasselbe, wenn man zu einem Spottpreis einen Drucker oder Kaffeemaschine kauft und danach gezwungen ist, dauernd Tinte, Toner oder bescheuerte, umweltbelastende Kaffeekapseln mit haufenweise Plastik- und Alu-Müll für unverschämt viel Geld zu kaufen. Im Endeffekt wäre es billiger, sich einen neuen Drucker oder Kaffeemaschine anzuschaffen. Doch wie nachhaltig ist das denn?
 
Ich habe immer noch mein kleines Tschinge-Bömbeli, um morgens wach zu werden. Ich schätze, es wir bald für illegal erklärt.
 
Ein gesunder Mensch wirft keinen Profit ab. Er ist der Feind des Systems, zumindest solange er an keinen Prophylaxe-Programmen teilnimmt oder sich regelmässig diagnostizieren lässt. Das System predigt uns, dass es keine gesunden Leute gibt, sondern höchstens solche, die unzureichend diagnostiziert sind. Man will möglichst viele Medikamente und Therapien verkaufen. Medikamente, die nicht heilen, sondern Nebenwirkungen verursachen, gegen welche man weitere Medikamente schlucken muss.
 
Als meine Mutter an Krebs erkrankte, wurde die Liste der Medikamente, die sie schlucken musste, jeden Tag länger. Ich weiss nicht, ob all diese Tabletten und Spritzen ihr Leben verlängert haben. Angenehmer haben sie es jedenfalls nicht gemacht.
 
Nach dem Regen glitzert Bratislavas Asphalt in allen Regenbogenfarben.
 
Dieses System zieh sich hin von meinem Hausarzt, der von Pharma-Firmen gesponsort wird, hin zu meiner Regierung, in welcher Parlamentarier sitzen mit Verwaltungsratsmandaten von Krankenversicherungen und Pharmafirmen, und dessen Regierungsgebäude durchseucht ist von Lobbyisten aus diesen Kreisen, bis hin zur Weltgesundheitsorganisation WHO. Und nun frage ich mich: Soll ich mich gegen dieses Virus impfen lassen?
 
Und ich frage mich: Wie konnten wir es zulassen, das Schiksal unserer Welt in die Hände zugekokster Heuschrecken zu legen? Nirgends ist die Konzentration von Kokainmetaboliten höher als im Zürichsee. Wahrscheinlich wäre sie höher in der Themse und im Hudson River, doch dies sind fliessende Gewässer.
 
Schulen, Universitäten und Professoren, die von Grossbanken gesponsert werden, sind kaum gewillt oder in der Lage, die Jugend vorbehaltlos zu unterrichten. Der Jugend wird bis zum Erbrechen neokapitalistische Scheisse in die Köpfe getrichtert, sie wird zum Hedonismus und Konsumwahn erzogen, man macht aus ihr einen folgsamen Zombie, der auf sein Smartphone starrend durch die Strassen schleicht.
 
Niemand scheint die Botschaft der Natur gehört zu haben. Das Wirtschaftswachstum wird weiter vorangetrieben, die Ökonomen drehen weiter an den Schrauben der Globalisierung und die Menschheit rast ungebremst der Wand entgegen, an der sie eines Tages zerschellen wird. Und so flüchten wir vor dem Virus in die digitale Welt.
 
Digitalisierung steht plötzlich an oberster Stelle jeder Agenda. In den Schulen wird digitalisiert, was das Zeug hält. Kaum jemand nimmt ein Buch zu Rate, alle Informationen, alles Wissen (und alle Lügen) dieser Welt sind ja leicht zugänglich im digitalen Netz.
Das Smartphone ist längst zu einem zentralen, lebenswichtigen Instrument geworden. Es weiss alles über seinen Besitzer, es sieht ihn, es hört ihn, es schläft mit ihm, es kennt all seine Freunde, Träume, Gehwege und Geheimnisse. All diese Daten schickt das Smartphone an einen Supercomputer, der diesen Mist speichert, durch seine Algorithmen schleudert und auswertet. Im besten Fall schickt der Supercomputer dem Smartphone-Besitzer einige gutgemeinte, auf sein Profil zugeschnittene personalisierte Produktempfehlungen. Wenn er weniger Glück hat, gilt er plötzlich als Terrorist, weil er das Wort Tschingebömbeli gebraucht hat.
 
Ich habe kein Smartphone, doch ich mache mir nichts vor – auch mein Notebook spioniert mich aus. Ich versuche, so wenig wie möglich online einzukaufen. Seit mein Bruder im Internet eine Bluse mit Papagei-Motiven für seine Freundin bestellt hat, bekommt er regelmässig Werbung für Vogelfutter.
 
Man sagt uns, Digitalisierung sei gut für die Umwelt, weil nicht mehr so viel Papier verbraucht wird. Blödsinn! Nach wie vor wird haufenweise Papier verbraucht. Doch das Papier stamm ja aus nachhaltigen Rohstoffen. Zertifizierte Lüge!
 
Gleichzeitig verbrauchen alle Server, welche Millionen von Daten in Sekundenschnelle verarbeiten, unglaublich viel Strom und müssen zudem gekühlt werden, um nicht zu überhitzen. Die 5G-Antennen verseuchen die Luft mit energiegeladener elektromagnetischer Strahlung, von der niemand so recht weiss, wie sich das längerfristig auf Mensch und Umwelt auswirkt. Die Produktion und Entsorgung von Lithiumionen-Akkus ist eine chemische Sauerei sondergleichen, doch die Leute werden gedrängt, alle paar Jahre oder gar Monate ein neues Gerät zu kaufen, um mit den aktuellen Apps kompatibel zu bleiben.
 
Es geht also wieder ums Geschäft…Business as usual…und Kontrolle…und Überwachung…und Produktempfehlungen…und Profitmaximierung…und Wirtschaftswachstum.
 
Wir machen die Natur nicht kaputt, sie ist flexibel, kann sich allen Gegebenheiten anpassen, ist viel stärker als wir. Ganz egal, wie sich das Klima verändert, ob die Polarkappen und Gletscher schmelzen, wie hoch die Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre liegt, wieviel Plastik in den Ozeanen schwimmt, wieviel radioaktiven Müll wir produzieren und wieviel Pestizide Wasser und Boden verseuchen. Die Natur wird sich allen Veränderungen anpassen.
 
Manche Spezies werden verschwinden, tun sie bereits, das war schon immer so, doch die Evolution wird neue Spezies erschaffen, die den veränderten Gegebenheiten angepasst sind.
 
Der Mensch wird es nicht, er ist starr und uneinsichtig. Er glaubt immer noch an irgendwelche höheren Wesen, die ihm befohlen haben, sich die Welt zu Untertan zu machen. Alle anderen Lebensformen dieses Planeten versuchen sich den veränderten Gegebenheiten anzupassen, um zu überleben. Nur der Mensch wählt einen anderen Weg: Er versucht die Welt zu verändern, damit sein System vom ewigen Wirtschaftswachstum und Profitmaximierung damit kompatibel bleibt, und kommt so auf die absurde Idee, die Erdatmosphäre zu verdunkeln, um die Klimaerwärmung aufzuhalten. Wie bescheuert ist das denn?
 
Der Mensch ist kaum die Krone der Schöpfung. Er ist einfach ein dummer und gieriger Affe mit einem übergrossen Gehirn, das er zumeist dafür einsetzt, seinen kurzfristigen, selbstsüchtigen Profit zu erhöhen. Beste Beispiele dafür sind Börse und Banken, die mit ihren Algorithmen und Tricksereien die Gesellschaft aussaugen.
 
In der Finanzkrise vor rund 15 Jahren, welche die Banken selbst durch Geschäfte mit undurchsichtigen Finanzderivaten herbeigeführt haben, hat sie der Staat mit Steuergeldern vor dem Ruin gerettet, denn nicht mal die Gelder der Mafia reichten aus, um sie über Wasser zu halten. Der Staat sagte, die Banken müssen unbedingt gerettet werden, weil sie systemrelevant sind.
 
Heute tricksen dieselben Banken den Staat aus mit Cum-Ex-Geschäften, indem sie Aktien in Sekundenschnelle von Besitzer zu Besitzer hin und her jagen, dem Staat dafür einmal Steuer zahlen, und sie dann vom Staat tausendfach zurückfordern.
 
Wie systemrelevant ist das denn?
 
So taucht die Vermutung auf, dass sich Wirtschaft und Politik verbündet haben, um die arbeitende Klasse auszusaugen. Die linken Parteien, welche ursprünglich die Arbeiterklasse vertreten sollten, beschränken sich darauf, den Turbokapitalismus mit Parfum zu beträufeln, um dessen Gestank zu überdecken. Hinter dem Rücken strecken sie aber die hohle Hand aus, um auch etwas von diesem modrigen Kuchen abzubekommen.
 
Die Ökonomen machen alles zu Geld. Den Klimawandel nutzen sie, um CO2-Zertifikate zu generieren, die an der Börse gehandelt werden. Das wird kaum die Emission von Kohlenstoffdioxid und die Klimaerwärmung bremsen.
 
Die abschmelzenden Polkappen nutzen sie, um neue Handelswege und neue Abbaugebiete für Rohstoffe zu generieren. Dass dabei der Meeresspiegel um einige Meter ansteigt, was unzähligen Menschen den Lebensraum raubt, scheint sie nicht zu interessieren. Als ob nicht jetzt schon Millionen Menschen auf der Flucht wären, Opfer der Globalisierung, die nirgends willkommen sind und tausendfach im Mittelmeer ersaufen.
 
Wenn wir Glück haben, so bricht die digitale Welt zusammen, bevor für uns der Planet unbewohnbar wird. Dann landen wir zurück im Mittelalter oder in der Steinzeit, wo wir uns neu orientieren können.
 
Die Überlebenden werden dann wieder zu Jägern und Sammlern, und es entwickelt sich ein neuer Archetypus, den ich, obschon ich Anglicysmen nicht mag, Blueface nenne: Ein Mensch, der dauernd auf sein Smartphone starrt, obwohl dort ausser einem bläulichen Schimmern nicht viel mehr zu sehen sein wird.
 
Nun, bis dahin male ich weiter meine sinnentleerten lustigen Bildchen. Manche sind auch traurig. Doch bekanntlich ergibt sich aus Tragödie plus Zeit eine Komödie. Doch manchmal bedarf es einer halben Ewigkeit, um aus einer Tragödie eine Komödie zu machen. Manche sind auch ziemlich tief unter der Gürtellinie. Doch keine noch so kranke menschliche Fantasie ist imstande, die Perversion der Wirklichkeit zu übertreffen.
 
Da es ziemlich anstrengend ist, dauernd in den Untiefen der menschlichen Psyche herumzustochern, schmeisse ich hin und wieder etwas billige Dekoration dazwischen - vollkommen politisch korrekt, obwohl ich Political Correctness nicht besonders mag. Sie macht weder aus einem Rassisten einen Philanthropen, noch löst sie ein einziges Probleme dieser Welt - im Gegenteil. Es versteift die Menschen. Düstere Emotionen, die keinen Weg rausfinden, verdichten sich und explodieren eines Tages. Ist schon vielfach geschehen und wird es immer wieder. Political Correctness tötet den Humor. Eine humorlose Gesellschaft ist die Hölle, so wie ich sie mir vorstelle. Wir sind Meister darin, einen Menschen politisch korrekt zur Hölle zu schicken.
 
Nun, digitalisiert bin ich jetzt auch schon ein bisschen. Wenn es dann Zeit für mich wird, von hier abzutreten, dann schicke ich eine Heerschar von Nachtfaltern in die Arschlöcher gewisser Leute, denn auch ich habe einen eher schrägen Sinn für Humor.
 
Ich liebe es, nachts mit Whiskey und Zigarette auf dem Balkon zu sitzen und den Geräuschen der Stadt zu lauschen. Da spielt die Musik.
 
"Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum". (Friedrich Nietsche)
 
Dies wäre ein versöhnlicher Abschluss meiner Geschichte geworden. Aber nein, die Geschichte wiederholt sich. Ich fühle mich zurückversetzt in die Zeit, als ich sieben Jahre alt war und die Russen unser Land überfallen haben. Die Tschechoslowakei konnte sich damals nicht wehren, sie hat kapituliert. Die Ukraine tut es nicht, sie kämpft um ihre Freiheit, und die Folgen sind unfassbar. Ich weiss nicht, was besser ist.
 
НЕТ ВОЙНЕ
 
Nun ist die Stunde der Militärexperten angebrochen. Während die Armeen aller Länder kräftig aufrüsten und sich die Ökonomen hämisch die Hände reiben, übt sich die Linke in genderneutralem Neusprech, und Weihnachtsmann*frau Putin unterrichtet verängstigte russische Flugbegleiter*innen*aussen*unten*oben, die ihren Tee nicht trinken mögen.
 
Es ist es Nacht und der Mond spiegelt sich in meinem Whiskeyglas. Der Rettungshelikopter von Spitaldach nebenan steigt hoch, um einen Patienten abzuholen mit garantierter Kundenbindung und unterschriebener Verzichtserklärung, falls der Heilungsprozess nicht nach seinen Erwartungen verlaufen sollte.

Business as usual.
 
So fallen mir die Worte vom Staatsbesuch eines früheren deutschen Kanzlers in einem afrikanischen Land ein:
 
«Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Neger. Die Lage ist zwar aussichtslos, aber nicht ernst».
 
Es wäre ganz einfach, dem Gemetzel in der Ukraine ein Ende zu setzen: Sofortige und strickte Umsetzung aller Embargo-Massnahmen, und Putin wäre weg vom Fenster. Ein friedlicher Zeitgenosse würde ihn ersetzen, vielleicht Nawalny, der heute gerade seinen 500sten Tag im Knast absitzt, weil er so unverschämt war, Putins Giftanschlag zu überleben, nachdem er über Korruption im Land berichtet hatte. Und das russische Volk müsste auch nicht lange unter den Sanktionen leiden. Leider nein, Putin hat Nawalny unterdessen ermorden lassen. Ob seine Frau sein Werk vollenden kann, ist zu bezweifeln, obschon nichts schlimmer ist, als die Rache einer gekränkten Frau. Ich wünsche Julia alles Gute.
 
Die Ökonomen zaudern, denn ohne billiges russisches Gas, Kohle und Öl verliert die westliche Wirtschaft an Schwung. Auch die Schweiz tun sich schwer, Milliarden von Oligarchengeldern einzufrieren, welche die Banken hier bunkern. Das wäre nicht so gut fürs Geschäft. Nachwievor verarbeiten schweizer Raffinerien Russisches Gold und Diamanten.
 
Stattdessen pumpt man haufenweise schwere Waffen in die Ukraine, so dass die Zerstörung und das Gemetzel immer schlimmer werden. Dies ist gut fürs Geschäft und lässt die Wirtschaft wachsen. Die Wirtschaft ist anscheinend wichtiger als Menschenleben. Nothing personal, folks, you may be killed, but it’s business, as usual.
 
Obwohl der Krieg in der Ukraine immer heftiger tobt, ist gerade eben in Lugano die Konferenz zum Wiederaufbau der Ukraine zu Ende gegangen. Voller Stolz verkündete unser Bundesrat, man habe sich auf die wichtigsten Eckpunkte geeinigt. Einer davon war, die eingefrorenen Gelder russischer Oligarchen für den Wiederaufbau zu nutzen. Tags darauf kam das Dementi: Dies widerspreche den Gesetzen des Finanzrechts. Wie heuchlerisch ist das denn?
 
Chaim Weizmann war Chemiker und erster israelischer Staatspräsident. Sein Patent zur enzymatischen Herstellung von Aceton, das zur Herstellung von rauchlosem Schiesspulver gebraucht wurde, überliess er den Briten im Tausch gegen Palästina, um das jüdische Volk dort anzusiedeln. Nach dem 1. Weltkrieg war Palästina Protektorat Grossbritanniens, und Gottes auserwähltes Volk, das verfolgt und heimatlos war, siedelte sich dort an. Die Palästinenser hat niemand gefragt, was sie davon halten. Seitdem, bald hundert Jahre, herrscht Krieg im Nahen Osten. Und die Lage eskaliert immer mehr.
 
Kann man auf ein unverzeihliches Massaker mit einem noch unverzeihlichen Massaker antworten? Doch seit Bestehen Israels macht man sich keine Mühe, sich mit Nachbarn und Palästinensern anzufreunden – im Gegenteil. Palästinenser wurden im eigenen Land Bürger zweiter Klasse, die ihnen zugesprochenen autonomen Gebiete werden ihnen von jüdischen Siedlern weggenommen, Israel – geografisch in Asien liegend – nimmt nicht an den Asian Games teil, sondern spielt Fussball an Europameisterschaften und singt am europäischen Song-Contest.
 
Ich bin weder Rassist noch Antisemit, liebe den jüdischen Humor, den sie sich als Überlebensstrategie von der Inquisition bis ins Nazideutschland angeeignet haben. Trotzdem denke ich, anstatt Israel hätte man den Juden besser eine unbewohnte Insel gegeben, wo sie keine Nachbarn haben. Die Klagemauer aus Jerusalem könnte man ohne Weiteres auch dorthin verpflanzen.
 
Doch der Krieg ist der Vater aller Dinge (Heraklit), und ich bin neugierig, wer als Erster mit Atomwaffen um sich schmeisst, Israel, die Iraner oder Putin, vielleicht Kim Jon-un?
 
Manchmal, nachts, wenn ich auf dem Balkon sitze, ziehe ich mir einen Joint rein. Dann kommen mir grossartige Ideen zu grossartigen Bildern, die ich mir notiere, um sie nicht über Nacht zu vergessen. Am nächsten Tag, nüchtern betrachtet, erweisen sie sich als absolut idiotisch. Manche von ihnen setze ich trotzdem um.
 
Ich war neun, als wir in die Schweiz kamen und kam ich in die dritte Klasse der Grundschule unseres neuen Wohnortes. Schon damals war die Schweiz multikulturell, denn damals holte sich die Wirtschaft Leute für die Drecksarbeit, welcher sich die meisten Schweizer zu fein waren - ausser sie waren debil - aus dem umliegenden Ausland, vorwiegend Italien.
 
Unterdessen ist der kulturelle Mix bunter geworden. Während des Jugoslawienkriegs kamen sie aus dem Balkan, vorher aus Tibet, Vietnam und Ungarn, danach aus Sri Lanka, Afghanistan, Syrien und den kriegsgeplagten afrikanischen Ländern, heute aus der Ukraine.
 
Jedenfalls war meine Klasse damals gespalten. Zwei Drittel waren Schweier, ein Drittel Italiener, und dazwischen ich.
 
Eines Abends kam der Kaplan, der gleichzeitig Religionslehrer an meiner Schule war, zu uns nach Hause und sagte zu meinen Eltern, um mich besser zu integrieren, sollte ich doch Ministrant werden.
 
So hatte ich die Ehre, zweimal die Woche vor dem Schulunterricht um 6.30 in der Kirche zu erscheinen, ein lächerliches weiss-rotes Kostüm anzuziehen, und während der Frühmesse, welcher regelmässig drei bis fünf senil bettflüchtige Rentner*innen beiwohnten, zum richtigen Zeitpunkt das Glöckchen zu läuten, hinzuknien und dem Pfarrer Wein und Wasser in den Kelch zu giessen.
 
Etwas später kam der Pfaffe wieder zu uns nach Hause. Meine Erstkommunion stehe kurz bevor, sprach er zu meinen Eltern, und ich sei dafür noch nicht bibelfest genug. Deshalb solle ich doch zwei Mal die Woche abends zu ihm nachhause kommen, wo er mir Privatunterricht in Religion erteilen würde. Ein paar Mal ging ich dort hin und fühlte mich dabei seltsam unbehaglich, denn ich spürte seine Annäherungsversuche, denen ich aber ausweichen konnte.
 
Eines Morgens während der Frühmesse - mir war übel - und während ich dem Kaplan Wein in seinen Kelch giesse, steigt mir dessen Geruch in die Nase, und ich hechte zum Weihwasserbecken und kotze mein Frühstück da rein.
 
Dies war wohl mit Abstand meine beste Performance als Ministrant und gleichzeitig meine letzte. Zu schade, dass im Publikum nur eine Handvoll bettseniler Rentner sass.
 
Als ich volljährig wurde, trat ich aus der katholischen Kirche aus, und das Kapitel war für mich erledigt. Heute mache ich schlechte Witze über Religion und Kirche, zumindest über die christliche. Andere Religionen masse ich mir nicht an zu beurteilen, denn ich kenne sie nicht gut genug, und über den Islam Witze zu reissen, ist, wie die jüngere Geschichte zeigt, eher heikel. Beim Christentum ist für mich jedoch die Lage ziemlich klar. Hier die möglichen Szenarien:
 
a.       Gott gibt es nicht. Er ist eine Erfindung, um Macht über Menschen zu erhalten, sie zu unterjochen, und ihnen statt eines schönen und erfüllten Lebens Hoffnung auf ein paradiesisches Dasein im Jenseits vorzugaukeln. - Davon gehe ich aus.
 
b.       Gott existiert, und er hat keinen Sinn für Humor. – Dann lande ich wohl in der Hölle, und das ist ok, denn dort wird es wahrscheinlich wesentlich lustiger zugehen als im Himmel.
 
c.       Gott existiert, und er hat Sinn für Humor. – Das ist die beunruhigende Option.
 
Ein chinesisches Sprichwort besagt:
 
“Sitzt du lange genug am Ufer eines Flusses, dann siehst du eines Tages die Leiche deines Feindes vorbeiziehen».
 
Meine Feinde interessieren mich nicht - falls ich welche habe - und China, welches sich heute kommunistische Volksrepublik nennt und dennoch das eigene Volk knebelt und unterdrückt und zugleich die Nummer Eins ist im neokapitalistischen Scheissspiel der Globalisierung traue ich nicht über den Weg. Da sie sich jedoch genau wie Ameisen in meinem Garten verhalten, werden sie wohl als Gewinner aus diesem Scheissspiel rauskommen – falls es überhaupt irgendwelche Gewinner auf der Seite der Menschheit geben sollte - was ich stark bezweifle.
 
Was ich jedoch damit sagen wollte ist folgendes:
 
Ich liebe Pilze. Früher durchstreifte ich die hiesigen Wälder auf der Suche nach Steinpilzen, Maronenröhrlingen, Semmelstoppelpilzen, krauser Glugge, Mönchskopf, Birkenröhrlingen und anderen. Das Resultat war meist etwas durchzogen. Mit wenigen Pilzen kam ich nachhause, doch voller Zecken. Um Borreliose und Hirnhautentzündung zu vermeiden, habe ich die Suche nun weitgehend eingestellt.
 
Stattdessen sitze ich auf dem Balkon und sehe zwei, drei Mal im Jahr, wie nach dem Regen keine zehn Meter von mir entfernt Steinpilze aus dem Boden wachsen.
 
Daher möchte ich dieses chinesische Sprichwort etwas verändern, sei es von Konfuzius, Laotse oder Maozetung persönlich:
 
“Sitzt du lange genug am Ufer eines Flusses, dann siehst du eines Tages deinen Freund vorbeiziehen, den du umarmst und küsst und ihm einen guten Weiterweg wünscht».
 
In unserem Garten steht ein Apfelbaum. An ihm wuchsen noch nie Äpfel, denn Ameisen haben ihn gekapert und züchten ihre Blattläuse dort. Die Blattläuse saugen den Saft aus den Blättern und extrahieren daraus ein zuckerhaltiges Sekret, welches die Ameisen von den Läusen abmelken. Um zu vermeiden, dass die Läuse fliehen, beissen die Ameisen ihnen die Flügel ab.
 
Die Natur ist so grausam wie der Mensch, und der Mensch ist weder Erfinder der Massentierhaltung noch des Krieges, denn Ameisenvölker bekriegen sich seit jeher untereinander. Zumindest haben sie keine Massenvernichtungswaffen. Noch nicht.
 
Ich habe alles Mögliche versucht, um gegen die Ameisen vorzugehen: Besprühen mit Tabakextrakt, Klebefallen mit Silikonöl und Kleberingen, Lavendel am Baumstamm gesät, nützte alles nichts.
 
Also ging ich im November letzten Jahren mit einer Säge in den Garten. Und was sehe ich? Am Apfelbaum wachsen 3 Blüten. Im November! Ich sägte ihn nicht ab.
 
Heute trägt der Baum Hunderte von Äpfeln, obwohl Ameisen und Blattläuse immer noch da sind. Vielleicht ist das der Ansatz einer friedlichen Koexistenz.
 
Ok, dies war naives Wunschdenken, denn die friedliche Koexistenz funktioniert nicht, weder zwischen mir und den Ameisen in unserem Garten noch zwischen Ost und West der Menschenvölker der nördlichen Hemisphäre und auch sonst wo. Während der Fleischwolf in der Ukraine immer schneller rotiert, Russland nuklearbestückte Raketen in Belarus stationiert, der Westen die Ukraine mit verfallsdatumabgelaufenem Altmetall vollpumpt, China immer heftiger Taiwan bedroht, der Konflikt zwischen Israel und Palästina am Explodieren ist, habe ich einen Plan entwickelt, wie ich die Ameisen besiegen werde: Massenvernichtungswaffen!
 
Man mische Zucker und Natriumhydrogenkarbonat und verstreue das Pulver bei den Nestern der Viecher. Ameisen lieben Zucker, fressen es und damit auch das Natriumhydrogenkarbonat. Im Körper der Ameise reagiert das Natriumhydrogenkarbonat mit der Ameisensäure, und es bildet sich gasförmiges Kohlendioxyd, welches die Ameise aufbläht, bis sie platzt. Ist ähnlich wie Streubomben. Verstösst zwar gegen die Genfer Konvention, doch who cares. Genfer Konvention – ist das nicht genial? Die Schweiz hat sogar den Krieg validiert und zertifiziert und verdient offensichtlich daran. Ist das nicht genial? Jedenfalls freue ich mich, bald Tausende explodierender Ameisen in meinem Garten zu hören und sehen. Ich stelle mir vor, es klingt wie Popcorn in der heissen Pfanne.
 
Doch leider wird auch die Schweiz bald untergehen. Mit Käse und Schokolade allein (Milch und Kakao selbstredend aus natur- und menschenwürdiger Produktion) kann sie nicht überleben. Ihr wichtigstes Standbein ist mürbe geworden: Die Finanzwirtschaft. Alle anderen Wirtschaftszweige, wo die Schweiz früher stark war, hat sie verkauft oder outgesoursed. Chemie und Pharma – zu teuer und umweltbelastend, lasst das doch die Kids in China und Indien tun, ist billiger. Textil – viel zu teuer hier, lasst das doch die Kinder in Bangladesch erledigen, sollen sie sich doch vergiften und arbeiten tun sie ja fast für umsonst. Schwerindustrie – nee, verpestet Wasser, Luft und Erde und braucht zu viel Energie, sollen doch das die Asiaten für uns erledigen. Rohstoffe – nee, unser Land ist klein und zu schön, um es zu zerbröseln, Glencore und andere hier ansässige Rohstoffhandelsfirmen sorgen dafür, dass die Schweiz weiterhin einer Ansichtskarte gleicht und machen Business mit Hilfe von Korruption, wobei sie andere Länder verwüsten und ausrauben.
 
So fokussiert man sich hierzulande auf den Dienstleistungssektor, wo man im vermeintlich geschützten Rahmen (da man ja ein neutrales Land ist) die Erträge der wertproduzierenden Menschen aus den verdreckten und ausgelaugten Ländern in eigene Kanäle leitet, und ich schätze, mehr als die Hälfte der Schweizer arbeitenden Bevölkerung lebt davon, dieses Land in einem makellosen Licht erstrahlen zu lassen, während sie andere Länder skrupellos aussaugt.
 
Nun scheint dieser Sektor wegzubrechen, spätestens seit die zweitgrösste Schweizer Bank, Credit Suisse, gegroundet ist. Gestolpert ist sie über unzählige Skandale, von Beihilfe zu Steuerhinterziehung, Habgier der Investment-Banker, betrügerische Cum-Ex-Geschäften, Geldwäsche, bis zu persönlichen Fehden in den Chef-Etagen, welche tatsächlich auch Menschenleben forderten. Unsere Regierung beschloss jedoch, sie zu retten. Milliarden von Staatsgarantien wurden aktiviert, denn diese Bank ist ja systemrelevant.
 
Unsere Finanzministerin befahl, dass die UBS – grösste Schweizer Bank, die vor einigen Jahren auch mit Milliarden von Steuergeldern vor dem Kollaps bewahrt wurden – die angeschlagene Credit Suisse schlucken soll. Wieder mit Milliarden von Steuergeldern. So ist ein gigantischer Moloch entstanden, und wenn der stolpert, dann fliegt uns allen die Scheisse um die Ohren.
 
Um die Missstände und den Kollaps der Credit Suisse zu analysieren, ernannte unsere Finanzministerin eine Task-Force, unter der Leitung eines Ökonomen der HSG, dessen Forschungsabteilung seit Jahren von der Credit Suisse gesponsort wird. Unglaublich!

STARTING IN THE MIDDLE OF THE DAY WE CAN DRINK OUR POLITICS AWAY

Was ist eigentlich aus dem Kampf gegen den Klimawandel geworden? Er mutierte zu einem Slogan, mit dem man wunderbar Geschäfte machen kann. Thats all, Folks. Ich bin nur ein Kriegsberichterstatter der Apokalypse. Und Nestbeschmutzer.
Zurück zum Seiteninhalt